Drei Fragen an Gabriele Werth zu Ingeborg Schobers »Die Zukunft war gestern«
Ingeborg Schober (1947–2010) schrieb und berichtete ab den späten 1960er Jahren für Sounds, Rock Session, Musikexpress, Süddeutsche Zeitung und den Bayerischen Rundfunk über Rockmusik, Krautrock, New Wave und Elektro-Pioniere; reiste dafür nach London, Amsterdam, Tokio und Atlanta. Sie erreichte mit ihren Artikeln nicht nur Musikfans, sondern prägte maßgeblich den heutigen Musikjournalismus und die Popliteratur.
Gabriele Werth lernte Schober in den 1990er Jahren kennen. Ihre liebevoll zusammengestellte Sammlung »Die Zukunft war gestern« mit Essays, Gespräche und Reportagen aus mehr als 25 Jahren wird durch Gastbeiträge von Sandra Maischberger, Bela B, Carl-Ludwig Reichert, Gaby Dos Santos, Johannes Waechter, Karl Bruckmaier u.v.a.m. ergänzt.
Du hast mit Ingeborg Schober viele Projekte geplant und besprochen. Eines davon ist der vorliegende Reader, der nun mehr als zehn Jahre nach ihrem Tod erscheint. Was konntest du von der damaligen Planung umsetzen, und was wäre Ingeborg deiner Meinung nach wichtig für diese Sammlung gewesen?
Den Reader hatten Ingeborg und ich Anfang der 90er geplant. Ich hatte damals noch jede Menge alte Sounds-Hefte, habe darin nach ihren Artikeln geschaut und viele davon kopiert und zusammengeheftet – das war als Geschenk für Ingeborg gedacht. Sie war ganz begeistert davon und wir beide meinten dann, dass diese alten Texte nicht nur ein Zeitdokument, sondern auch inhaltlich für viele noch interessant wären. Daraus entstand dann eine grobe Planung für ein »Jubiläumsbuch« mit ihren Texten, das 1992 erscheinen sollte. Es gab einige Schwerpunkte – Bands und Künstler, die ihr sehr am Herzen lagen wie die Sparks, Kevin Ayers, Eno, Kraftwerk, Marianne Faithfull, DAF, Talking Heads und The Human League – aber auch Events, über die sie geschrieben hatte: Bob Dylans Konzert in Japan und ihre zweiteilige Düsseldorf-Reportage. Ich freue mich, dass all diese Schwerpunkte in unserem Buch berücksichtigt werden konnten.
Ingeborg Schober gilt vielen als die erste deutsche Rockmusikjournalistin. Das klingt nach einem aufregenden Leben als »Pionierin«, aber auch nach Widerständen. Was wird in »Die Zukunft war gestern« dazu erzählt?
Wenn man Ingeborgs Texte aufmerksam liest, bekommt man ein recht genaues Bild vom Leben und Arbeiten in dieser Zeit. In den 60ern wurde Pop- und Rockmusik ja noch nicht für besonders wichtig erachtet – außer für die Fans dieser Musik. Erst als klar wurde, dass es sich dabei um relevantes Kulturgut handelte, begann man auch das Schreiben über populäre Musik wertzuschätzen und es entstanden entsprechende Publikationen. Ingeborg war von Anfang an mit viel Begeisterung dabei, sie schrieb in den 70ern in ihrem Buch »Tanz der Lemminge« viel über diese Anfangszeit. Natürlich war es aufregend in dieser Zeit als Journalistin unterwegs zu sein, sie hat ja oft mit Witz und Humor darüber geschrieben. Auf der anderen Seite musste sie sich als Frau in diesem Metier erst beweisen – und das schaffte sie mit ihrem enormen Wissen über populäre Musik und auch dadurch, dass sie keine Scheu hatte, damals gegen eine journalistische »Männerriege« anzutreten. Oft kam es aber auch zu persönlichen Frustrationen, denn die 60er und 70ern waren nicht zuletzt durch gesellschaftliche Aufbrüche im Bereich der Jugendkultur gekennzeichnet, die oft genug enttäuscht wurden.
Warum und für wen ist es 2021 noch relevant, Artikel über Rockmusik aus den 70er und 80er Jahren zu lesen?
Das meiste, was zu dieser Zeit über populäre Musik geschrieben wurde, ist ja – wenn überhaupt – für immer in den Archiven vergraben. Wir haben also durch unser Buch so etwas wie einen alten Schatz gehoben.
Es wird aber auch deutlich, wie sich Pop-Journalismus verändert hat. Ingeborg schrieb ja nicht nur über die Künstler*innen, die sie interviewt hatte, sondern ließ auch immer wieder einfließen, was sie dabei erlebte, wie sie sich selbst dabei fühlte und was ihr so durch den Kopf ging – das macht ihre Art zu Schreiben so authentisch. Diese direkte Reaktion vermisse ich manchmal bei den heute Schreibenden.
Und nicht zuletzt glaube ich, dass sich Fans der damaligen Pop- und Rockmusik, die ja bis in die jetzige Zeit hineinwirkt, über das Buch freuen werden.
Pressereaktionen zum Buch (wird fortgesetzt):
»Wer heute Ingeborg Schober liest, findet in jeder Zeile Enthusiasmus für gute Musik und die Menschen dahinter – und der ist zeitlos.« Susanne Romanowski, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
»Ingeborg Schober schrieb über Pop und Gender, noch bevor der Gender-Begriff in Popdebatten überhaupt eingeführt wurde.« Julia Lorenz, taz
»Man vertraut sich ihrer sympathischen Erzählerstimme gerne an.« Phillip Holstein, RP online
Fotos: Oben (Gabriele Werth / F: Marek&Beier), Mitte (Ingeborg Schober / F: Sounds-Archiv), Unten (Ingeborg Schober / F: Gabriele Werth)
Pingback: Ikone des Musik-Journalismus und doch früher Tod im Prekariat“: Abschrift meines Beitrags aus „Ingeborg Schober – Die Zukunft war gestern – Essays, Gespräche & Reportagen“, Hrsg. Gabriele Werth – Gaby dos Santos
Pingback: GABRIELE WERTH, Herausgeberin von „Ingeborg Schober: Die Zukunft war gestern“, Medien- und Musikmanagerin, Drehbuchautorin, Musik-Journalistin und noch viel mehr – Gaby dos Santos